"g i s k i h t"
1
Gedanken zu den Bildern
Tritt man vor die Leinwandbilder von Georgus tun sich Licht und Raum als neue
Wirklichkeit im Oeuvre des Künstlers auf.
Hier bestimmt das Lichtspiel
zwischen reiner, grundierter Leinwand, breit lasierenden
milchigen Zügen, die mitunter zart von dunklen Schlieren
durchspurt sind, oder wässrigen, sich auswölkenden
Aufträgen die Sphäre und Dynamik des
Bildgeschehens, setzt es ins Leere, in die Schwebe, in
Schwingungen oder errichtet Distanzen.
Die Helligkeit bleibt matt,
tritt nicht in gleißenden Kontrast zur überwiegend
kargen, homogenen Skala von Schwarz bis Ocker mit all ihren
Übergängen. Dabei werden überaus raffinierte
Farbpassagen entwickelt, die von Siennabraun über Ocker
und Rosé zu umbragetragenen Weiss. An anderer Stelle fällt ein
Farbgang auf, bei dem der mit unvermischtem Schwarz und Ocker
gefüllte Pinsel im Auftragen und bei schwungvollen
Abheben ein Band legt, bzw. aufwirft, in dem auch alle oliven
bis braunen Zwischentöne mitlaufen. Die vorherrschende Tonigkeit
ruft vor allem die Assoziation von Schlamm und Schmutz,
Ursprung und Zerfall hervor..
Bei aller negativen
Gestimmtheit birgt diese elementare Uneindeutigkeit doch auch
ein Potenzial an Differenzierungen und Wandelbarkeit, das
Wahrnehmung und Gestaltung ein weitgehend unbestelltes
Terrain öffnet.
Elementar sind auch die Prozesse, in denen sich die visuelle Materie formiert.
Der Bildraum wird meist aufgeschlagen und ausgeleuchtet von gleichlaufenden
transparenten, das Bild ganz oder partiell, horizontal
und/oder vertikal überziehenden Bahnen, deren Rhythmus
gleichwohl nicht immer ungebrochen bleibt. Das Anhalten und
von anderer Seite gegenführen des Pinsels auf eine Linie
hin schafft schmale, unterschwellig oszillierende Achsen.
Das Verkippen oder Wölben der feuchten Leinwand hebt die Kontur von Pinselstrichen zu
leicht konvexem Volumen oder lenkt im Fließen dünnster
Aufträge die Agglomeration der ausgewaschenen Pigmente
in urlandschaftliche Melasmen und Mäandern.
Im Kontrast zu diesen flüchtig
wirkenden Kräften stehen in Blöcken, Stapeln,
Gruppen oder Turbulenzen schnelle, druckvolle Gesten mit
reich moduliertem Farbverlauf vom einschwingenden Ansatz
fasrig bis opak zu akzentuiertem Innehalten. Das Auf- und Ausdrücken
des gesättigten Pinsels setzt Flecken von amorpher
Wesenhaftigkeit. Das üppige Aufstempeln und Aufgießen
von Weißleim oder Rein-Acryl, die quallig, bzw. brüchig
auftrocknen, irritiert haptisch direkt die Illusion
körperloser Erscheinungen. Leim- und Farben tieferer
Schichten liegen reliefartig erhaben unter transparenten
Oberflächenschraffuren. Grob wieder abgeschabte Aufträge
lassen lichte Felder und Schneisen durchscheinen. Isomorphe gestische Aggregate
sind übereinander gemalt, wie mehrfach verschattet und
schwach hinterleuchtet in leicht verschobenen Kongruenzen.
Der Eindruck einer dritten Dimension entsteht dabei nicht illusionistisch über
perspektivische Linien. Vielmehr wirken die durchlässigen Texturen wie vorübergehende
Materialisationen in raumloser Schwebe. Auf anderen Tableaus
suggeriert das Gegeneinander von malerischer Aktion und ruhig
sich entziehenden Flächen ein Geschehen vor weiter
Leere. Auch die plane Zweidimensionalität der
Bildoberfläche begegnet, fast collagenhaft statisch im
Nebeneinander konturierter Felder, die nicht einmal über
eine diagonale Verspannung im Bild in Bewegung geraten wollen.
Die Offenheit ins Unergründliche verheißen mehr oder weniger verborgene
Zonen des geschichteten Bildraums: Flächen, die mit
entschiedenen Pinselzügen abgedeckt sind -gleich verbarrikadierten Öffnungen-, ausschnitthafte
Durchblicke, Durchscheinendes, Verdunkeltes, nur mehr Ahnbares binden den Raum, aus dem heraus das Bild seine ganze
Wirklichkeit gewinnt, an eine zeitliche Perspektive.
Die dritte Dimension liegt hier in der Geschichte des Ermalens eines jeden Bildes. Ihre
Architektur ist die eines Innenraums.
In seiner Statik wirken wesenlich die Energien einer kontrollierten Eigendynamik von
Farben, Feuchtigkeit und Leinwand, die Vitalität direkter Gesten und
Rhythmen, sowie die Entschiedenheit im
Bannen und Formieren, sei es als Ordnen oder Zeichensetzen.
Polaritäten werden dabei -meistens- aufgefüllt von den subtilen Kräften des
Übermalten, die aus diesem Erfahrungsraum des Bildes
hochtreiben in seine Gegenwart. Offensichtliches, Sichtbares
und Verborgenes, Stabilität und Bewegung sind dabei
verbunden über eine Kette aus Aktion und Reaktion, die
sich durch alle Phasen des Bildes senkt.
Diese Kette fügt sich neu, in jedem Bild, das so zum Zeugnis von Geschehen, Erleben und
einem Handeln wird, das weitgehend ohne Prämisse an die
Arbeit geht.
Dieses Malen wird nicht inszeniert. Es verzichtet auf die Hilfestellung eines
ästhetischen Programms. Georgus ermalt etwas ihm selbst unbekanntes, dem er sich aussetzt: von der
Herausforderung der leeren Leinwand über das Finden, Zweifeln, Verwerfen
und Korrigieren, bis zum Sammeln und Klären der Materie
und Strömungen dieser Situation an einem Ort, dem Bild.
In ihren rauen Tönen und Texturen bereits anti-illusionistisch, einsehbar in den
Stationen ihrer Entstehung, tritt mit diesem existenziellen
Durchstehen und Bewältigen des Malens auch die
Wirklichkeit des schaffenden Bewusstseins unverstellt ins Bild.
Es bindet es zu einer Entität und setzt -darüber hinaus- mit all dem nicht sichtbar
Formulierten, das gleichwohl am Bild beteiligt ist - diesem ungreifbaren „kreativen Rest“
- dessen imaginären Raum frei, der die Notwendigkeit des nächsten Bildes ahnen lässt.
In der Identität, mit der hier Bild und Leben aneinander wachsen geht auch ein
Verlangen weiter, das nicht befriedet innehält bei den
Metaphern und den Stimmungen, die unser Sehen sich heranzieht
und versucht ist, sich als Schlüssel zum Verständnis dieser Bilder zu nehmen.
Es gibt Konstanten in Farbigkeit, räumlicher Fassung und gestischen
Aufbrüchen, die sich durch das Werk von Georgus ziehen
und die Person des Malers dokumentieren. Doch alle Bildarchäologie
findet nicht zum Psychodrama des Schaffens, da es nicht verharrt in dem als gültig gewonnenen Bild und seine
Suche schon woanders weilt.
Die stille unpathetische Obsession in den Bildern von Georgus spricht von einer nur
vorläufigen Einheit der Wirklichkeit, die disperat bleibt.
Elke Schipper
1
althochdeutsch "was sich ereignet" ,
"Geschichte"
2
ein Begriff aus Th.W. Adornos "Aesthethische(r) Theorie"
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