
Complete Nonsense, 2000
Koptische Bindung mit Porzellanpuppe, Fossil,
Insekten in gegossenem Kunstharz
15 x 22 cm
Eine winzige Ewigkeit
Arbeiten von Marí Emily Bohley in der Neuen Galerie Wünsdorf
Um es vorweg zu nehmen: Die Ausstellung hat ihr Geheimnis.
„Schriftträume für eine winzige Ewigkeit“ ist nicht nur ein
poetischer Einfall als Werbung für die Ausstellung. Man muss ihn
ernst nehmen. Er ist ein Achtungszeichen und ein Wegweiser für die
Gedanken und Gefühle beim Gang durch die Räume der Neuen Galerie im
Gutenberghaus in der Bücherstadt Wünsdorf.
Es beginnt wie immer in einer Bilderausstellung. Man ist beeindruckt
von dem, was da in den Bilderrahmen zu sehen ist. Bei Marí Emily
Bohley – über den Namen wird noch zu reden sein – ist es eine ganze
Palette von grafischen Zeichen, verbunden mit farbigen flächen, die
ihren Bildern den eigenen Charakter geben.
Da finden sich auf dunklem Grund in roter Farbe kreisend
aufschwingende flächige Linien, kombiniert mit senkrechten
Formstücken, da vibrieren gleich Elektrodiagrammen schwarze Linien
auf dem Papier, aus denen eruptiv Farbspuren heraus schwingen und da
gibt es Blätter nur mit einem Geflecht von Linien.
Schaut man länger hin, so spürt man, dass das elementare Arm- und
Handbewegungen beim Schreiben sind, die denen des Bildermachens in
den kindlichen Anfängen gleiche. Sie signalisieren Emotionen, bevor
sie Nachricht geben im babylonischen Sprachgewirr.
Darauf verzichtet Marí Emily Bohley durchaus nicht. Sie setzt zu dem
durch Bildzeichen angestimmten emotionalen Grundakkord den Text, der
das Gefühl bewusst macht, besonders schön in der streng geometrisch
angelegten Arbeit mit dem schwarzen Grund, einem weißen
Buchstabenknäuel gleich geheimnisvollem Licht in der Mitte und der
umlaufenden Schrift „Umschlungen von der Nacht wandle ich durch
dunkle Gassen…“
Abstrakte Kompositionen
Doch da gibt es Arbeiten mit grafischen Spuren, die man eigentlich
nur als üblichen abstrakten Kompositionen deuten kann. Aber das Auge
stutzt. Könnte das Runde nicht ein O sein, das Winklige ein A oder
ein W? Marí Emily Bohley gesteht, sie habe ihre eigene Schrift
erfunden – eine Märchenschrift, die nur mit dem herzen zu lesen ist.
Es ist wie eine Erlösung festgeketteter Formen aus dem
intellektuellen Korsett der Bedeutungsschrift. „Schrift ist mehr
als: Ich lese – ich verstehe“, bekennt sie. Da hängt ein Blatt mit
chinesischen Schriftzeichen.
Aber schon ist man unsicher, ob dem wirklich so ist. Ja und nein.
Ein bisschen chinesisch ist die Form schon, aber wie ein Kokon
steckt da ein in Deutsch geschriebener Spruch darin, man muss den
Kopf nur schräg halten und die Schriftspuren ausfindig machen.
In Marí Emily Bohleys Arbeiten steckt der Schabernack voll
berührender Poesie. In den Vitrinen sitzen kleine Püppchen. Hebt man
sie an, entfaltet sich unter ihnen ein Leporello ein lange
Papierstreifen, kunstvoll mit deren Geschichte beschrieben –
verborgene Märchen. Man glaubt es den Papiergeistern, wenn sie
versichern: „Mein Herz gehört nur Dir, bin ich auch aus Papier.“
Schließlich sind da in den Vitrinen noch die bibliophilen
Buchschöpfungen der gelernten Buchbinderin und Schriftkünstlerin,
vorwiegend in Englisch. Dort findet sich auch ihre Lebensgeschichte,
deren Außergewöhnlichkeit man schon in ihren Arbeiten spürt. Sie ist
die Tochter deutschtschechischer Eltern, die in grenzloser Liebe
jung zueinander fanden. Die Worte, die sie miteinander sprachen,
waren Englisch - wie sollten sich auch Deutsche und ein Tscheche
sonst verständigen? Es muss eine seltsame Erfahrung für die kleine
Marí gewesen sein, vielleicht auch der Grund, warum sie später in
England studierte.
Tragik im Glück erahnen
Ihren Vornamen erfand ihr Vater. Er wollte Marie, das klingt aber im
Tschechischen nicht. Also erfand er einfach Marí mit der Betonung
auf der letzten Silbe. Geblieben ist ihr an ihren Vater nur die
Erinnerung.
Er starb, noch nicht zwanzig Jahre alt, auf einer Bahnfahrt von
Halle, dem Wohnort der kleinen Familie, nach Tschechien. Bohley ist
der ja nicht unbekannte Name, den sie durch ihren Adoptivvater,
einem Verwandten des ersten Mannes der Bärbel Bohley, erhielt.
Geblieben ist Marí von ihrem Vater Ladislav Vyroubal die
tschechische Mentalität von tiefem Gefühl, das im Glück auch die
Tragik ahnt. So lässt sich wohl auch die „winzige Ewigkeit“ erahnen,
in der Kunst wie im Leben.
Arno Neumann (Märkische Allgemeine 21./22. August 2004)

Buch des Schweigens, 2002
Modelliermasse, Porzellankopf, Tinte, Gouache auf handgeschöpftem und Chinapapier
7 x 10 cm
abstrakte Malerei Anleitung
Acrylbilder
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